Auch ein Jahr nach dem Amoklauf in München sind das Leid der Opfer und die Geschehnisse unvergessen. Das Telefon klingelt – ein Personaler ruft an: »Sie haben sicher schon von dem schrecklichen Ereignis im Einkaufszentrum gehört! Unsere Mitarbeiter im Laden vor Ort sind geschockt, zu tiefst betroffen, vielleicht traumatisiert. Können Sie uns helfen?«

Anfragen wie diese, erreichen uns leider immer häufiger. Dies hat mehrere Gründe:

  • dramatische Vorfälle wie diese nehmen aktuell zu,
  • die Bereitschaft wächst, mögliche emotionale, psychische Blockaden oder Traumatisierungen aktiv anzugehen,
  • Verantwortliche wissen, dass es Methoden gibt, die den Betroffenen helfen können,
  • Unternehmen nehmen die psychische Gesundheit, also das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden als Basis für stabile Leistungsfähigkeit ernster.

Was war genau passiert? Die Mitarbeiter hatten den Amoklauf, die Verletzten und Toten zwar nicht gesehen. Sie erlebten jedoch rennende Menschen, lautes Schreien, Kommandos der Polizei. Ohne genau zu wissen, was passiert war, schlossen sie sich im Laden ein und warteten. Nach ein paar Stunden gab es „Entwarnung“. Sie machten sich durch die Hintertür auf den Heimweg, – oft mühsam, da Straßen gesperrt, öffentliche Verkehrsmittel blockiert waren. Nach ein paar Tagen wurden die Läden wieder geöffnet, einige Mitarbeiter meldeten sich krank, andere kamen mehr oder weniger belastet zur Arbeit.

Folgendes Vorgehen zur Intervention wurde mit dem Personaler und der Führung abgestimmt um die Mitarbeiter aktiv zu unterstützen

  • Die betroffenen Mitarbeiter wurden gemeinsam mit der Führungskraft zu einem Kurz-Workshop im Team eingeladen – Dauer ca. 90 Minuten. Die Teilnahme war freiwillig. Der Workshop fand sehr zeitnah statt. Zu Beginn sprachen die Mitarbeiter ihre Wahrnehmungen und Empfindungen rund um den Amoklauf aus. Die Erfahrungen wurden in einem einfachen, theoretischen Modell des Stress-Erlebens zusammengeführt. Eine Übersicht möglicher »Werkzeuge« zur Reduktion des Stress- Pegels zeigte verschiedene Möglichkeiten, wieder mehr Selbstkontrolle zu gewinnen, um damit auch Gefühle der Angst und Ohnmacht zu reduzieren.
  • Mitarbeiter und deren Familien, auch die, die an dem Tag der Katastrophe nicht im Laden waren, erhielten das Angebot einer Einzelberatung. Warum wurde das Angebot für alle geöffnet? Ein Beispiel: die 8jährige Tochter eines Mitarbeiters, der zum Zeitpunkt der Katastrophe gar nicht im Laden war, litt seit dem Vorfall unter starken Ängsten und Schlafstörungen. Sie war gedanklich besetzt von Schadensbildern und malte sich aus, was ihrem Vater hätte passieren können.

Die Angebote wurden sehr bereitwillig angenommen: Die meisten Mitarbeiter kamen zu dem Workshop und etwa 30% der Mitarbeiter nahmen Einzelcoachings in Anspruch, wobei in den meisten Fällen eine Sitzung als ausrechend empfunden wurde. Nach 6 Wochen erreichte uns das Feedback, dass das Ereignis zwar nicht vergessen, aber doch gut verarbeitet und in Perspektive gesetzt worden war.

Krisenintervention mit upgrade: Mit welchen Inhalten leisten wir Hilfe?

Zu Beginn steht die Aufbereitung der persönlichen Erfahrungen im Fokus: dazu gehört die Einbettung der Erfahrungen in ein einfaches Modell des Stress-Geschehens mit den möglichen körperlichen und seelischen Auswirkungen. Eine erste Entlastung stellt sich bei manchen Betroffenen ein, wenn sie erfahren, dass ihre jeweiligen Symptome eine logische Folge des Geschehens sind, die – bei entsprechender »Behandlung« dann auch wieder verschwinden.

Im nächsten Schritt geht es darum, dass Betroffene mit einem der möglichen »Werkzeuge« Erfahrungen sammeln können, die sie befähigen/ihnen helfen das Erlebte weiter zu verarbeiten. Aus der Fülle der möglichen mentalen und körperlichen Werkzeuge ist beispielsweise die Wingwave®-Methode ein sehr effektives Instrument. Mit einer einfach erscheinenden Technik werden im Coaching wache REM-Phasen (Rapid-Eye-Movement) erzeugt, indem der Coach die Augenbewegungen des Klienten mit schnellen Handbewegungen leitet. Dadurch können unterbewusste Emotionen aufgearbeitet und Blockaden gelöst werden. Die Anwendung dieses oder ähnlicher Werkzeuge ist eingebettet in einen Coaching-Prozess mit konkreten Zielen und Erfolgskontrollen. In wenigen Coaching-Einheiten werden damit emotionale Blockaden und Ängste nachhaltig verarbeitet.

Letztlich müssen die Angebote immer darauf gerichtet sein, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Dazu werden die persönlichen Energieräuber und vor allem Energiespender sortiert. Betroffene werden explizit aufgefordert ihre Stress-Stabilität mit Hilfe ihrer ganz persönlichen Energie-Tankstelle aufzubauen. Dazu gehören Körperübungen, wie z.B. Power Poses. Diese senken den Stresshormon-Pegel und führen über die Stoffwechselveränderung zu mehr Kraft, Selbstbewusstsein und Kontrolle. Es gibt aber auch mentale Übungen, die mit der Kraft der Gedanken, die Bilder des schrecklichen Geschehens nach und nach verschwinden lassen.

Was ist der Nutzen dieser Interventionen?

Die Gesunderhaltung und eine Unterstützung bei der Rückkehr in einen unbelasteten Berufsalltag steht ganz klar im Vordergrund. Wenn schnell und angemessen interveniert wird, kann eine schwerwiegendere Traumatisierung abgewendet werden. Dies nützt dem Menschen, seinem Umfeld und damit auch dem Unternehmen. Darüber signalisiert das Unternehmens seinen Beschäftigten durch die Organisation einer Krisenintervention »wir nehmen unsere Verantwortung ernst«. Im Vergleich zu den möglichen Kosten z.B. durch ständige ungesteuerte Reflektion der Geschehnisse im Team, psychische Belastungen, Krankentage sind die entstehenden Aufwände bei fehlender Intervention minimal. Das Ergebnis machte jedoch einen signifikanten Unterschied für die Mitarbeiter.